Der Mensch fragt nach Gott

16,90 

Übersetzung: Uwe Cordt
Bearbeitung: Ruth Olmesdahl

Taschenbuch: 111 Seiten
Erschienen: 2002

Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-934658-85-1

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Beschreibung

Untersuchungen zum Gebet und zur Symbolik

Wir sehen mehr, als wir zu sagen vermögen. Die Bäume stehen wie Wachtposten der Ewigkeiten, die Blumen wie Wegweiser Seiner Güte; nur wir haben versagt, Zeugen Seiner Gegenwart, Zeichen Seiner Treue zu sein.

Einführung

Zu keiner Zeit war das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung so stark wie heute. Doch es gab auch keine Zeit, in der dieses Ziel so selten erreicht wurde, in der ein solcher Zwang ausgeübt wurde, sich Konventionen zu fügen, sich Klischees und Modetrends anzupassen. Das Selbst ist stumm, Worte sind tot, und  Beten ist eine vergessene Sprache.

Man kann sein Herz nicht in den leeren Raum ausschütten. Wenn Worte nur künstliche Zeichen sind, wenn Sinngebung nur eine Fiktion ist, wenn es kein Echo auf den Angstschrei einer gequälten Welt gibt, wenn der Mensch allein ist, wenn sich die Welt im leeren Raum dreht — welchen letzten Wert haben dann alle Ausdrucksformen?

Der Mensch ist in Vergessenheit geraten. Wir kennen seine Wünsche, seine Launen, seine Schwächen; seine endgültige Bestimmung kennen wir nicht. Wir verstehen, was er tut; wir verstehen nicht, was er bedeutet. Ehrfurchtsvoll stehen wir vor vielen Dingen; aber wir wissen nicht, wofür wir einstehen sollen.

Wir verlieren allmählich die Fähigkeit zur Selbstverwirklichung. Denn echte Selbstverwirklichung ist eine Antwort auf eine letzte Frage. Wir aber hören diese letzte Frage nicht mehr. Wir haben jegliches Verständnis dafür verloren, was des Menschen höchstes Anliegen ist, denn solches Verständnis erlangt man nicht durch Selbstbetrachtung, sondern durch Selbsthingabe an Ihn, dessen Anliegen der Mensch ist.

Um ein Gespür für die letztgültige Frage zu entwickeln, muss man die Fähigkeit haben, sein Selbst zu transzendieren, die Fähigkeit, zu wissen, dass das Selbst mehr ist als das Selbst; dass unser höchstes Anliegen nicht unser eigenes Anliegen ist; dass unser oberster Maßstab nicht Zweckmäßigkeit sein kann.

Wir büßen die Fähigkeit ein, das Selbst zu transzendieren; wir sind unfähig geworden, über den Verstand hinauszugelangen. Es herrscht ein solches Übergewicht des Hier und Heute, eine solche Fülle des Vorhandenen und Verfügbaren, dass unser Geist sich in der Welt verloren hat. Das einzige, worauf wir uns verlassen können, ist das Werk unserer Hände, das Produkt unseres Geistes; alles, was darüber hinausgeht, gilt als bloße Phantasterei. Die Welt besteht für uns aus Instrumenten, aus Werkzeugen; höchste Ideen sind bloße Symbole. Gott ist nur ein Name, aber keine Realität. Der Maßstab unseres Tuns ist Zweckmäßigkeit, und auch Gott dient nur unserer Befriedigung.

Das also scheint eine Tatsache zu sein: Gott ist für uns ohne Belang. Doch es gibt eine andere beunruhigende Tatsache. Dass Er für uns ohne Belang ist, ist von allergrößtem Belang. Wir sind betroffen über unseren Mangel an Betroffenheit.

Gott mag zwar für den Menschen ohne Belang sein, aber der Mensch ist für Gott entschieden von Belang. Es gibt nur einen einzigen Weg, dies zu erfahren, den Weg der Anbetung. Denn Anbetung ist eine Weise, zu leben, die Weise, die Welt im Lichte Gottes zu sehen. Anbeten heißt, sich auf eine höhere Ebene der Existenz zu erheben, die Welt vom Blickpunkt Gottes aus zu betrachten. In der Anbetung entdecken wir, dass der letztgültige Weg nicht ist, ein Symbol zu haben, sondern ein Symbol zu sein, für das Göttliche einzustehen. Der letztgültige Weg ist, die Gedanken zu heiligen, die Zeit zu heiligen, die Worte zu weihen, das Tun zu weihen. Das Studium von Gottes Wort ist ein Beispiel für die Heiligung des Denkens, der Siebte Tag ein Beispiel für die Heiligung der Zeit, das Gebet ein Beispiel für die Heiligung von Worten, Observanz ein Beispiel für die Heiligung des Tuns.

Wir haben die Fähigkeit, zu beten, verloren, weil wir das Gespür für Seine Wirklichkeit verloren haben. All unser Tun besteht aus Ersatzhandlungen. Wir leben als Werkzeuge, wir denken in Zeichen. Was wir tun, geschieht um etwas anderen willen. Daher ist es wichtig, dass wir die Rolle und Bedeutung von Symbolen beachten.

Wenn Gott nicht von allerhöchster Bedeutung ist, hat er überhaupt keine Bedeutung. Was Religion ist, läßt sich schwer definieren; es ist nicht leicht, ihre Bedeutungsfülle in den Rahmen eines einzigen Satzes zu pressen. Aber negativ kann man sicher sagen: Religion ist nicht Zweckmäßigkeit. Wenn all unser Handeln von der einzigen Überlegung geleitet wird, wie es unseren persönlichen Interessen am besten dient, dann dienen wir nicht Gott, sondern unserem Selbst. Sicherlich hat das Selbst eigene berechtigte Ansprüche und Interessen; Gott fordert nicht ständige Verleugnung des Selbst, Verachtung des Wunsches nach eigenem Glück. Nach Seinem Willen leben heißt, sich erinnern, dass Gottes Liebe allen Menschen, allen Geschöpfen gilt; heißt, bei allen Entscheidungen Seiner Liebe und Seiner Forderung, zu lieben, zu gedenken. Gott verehren heißt, das Selbst vergessen. In solchen Augenblicken der Anbetung wird der Mensch zum Symbol für Ihn.

Von allem, was wir tun, ist Beten das am wenigsten Zweckmäßige, am wenigsten Weltliche, am wenigsten Praktische. Darum ist Beten ein Akt der Selbstläuterung. Beten ist eine Seinsnotwendigkeit.

Wir erleben einen großen Augenblick der Geschichte. Die falschen Götter sinken dahin; die Herzen hungern nach der Stimme Gottes. Aber die Stimme ist erstickt worden. Um das Echo wieder zu vernehmen, müssen wir den aufrichtigen Wunsch haben zu lauschen, müssen wir vorurteilsfrei bereit sein zu verstehen.

Was sich in der Tiefe unseres Lebens vollzieht, hat weitreichende Wirkung auf internationale Verhältnisse. Andere mögen unter der Erniedrigung leiden, die von der Armut herrührt. Wir werden von der Erniedrigung bedroht, die von der Macht ausgeht. Macht korrumpiert, und nur, wenn wir uns dem Geist Gottes öffnen, werden wir gerettet; er verhindert die Katastrophe, er adelt Leib und Seele.

Im Gebet öffnen wir uns dem Geist — Gebet als ein Weg der Erkenntnis, nicht als eine Weise, zu sprechen. Gebet rettet uns vielleicht nicht, macht uns aber wert, gerettet zu werden.

Bei allem geheiligten Tun steht das Gebet an erster Stelle. Religion ist nicht, »was ein Mensch mit seiner Einsamkeit tut«. Religion ist, gegenwärtig, wann immer wir bereit sind, ihn zu empfangen. In der Tat, Gott verbirgt Sein Antlitz in unseren Tagen, aber Er verbirgt sich, weil wir Ihm ausweichen.

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